Bund der Freien Waldorfschulen fordert: allen Kindern so bald wie möglich wieder einen regelmäßigen Zugang zu ihren Kitas und Schulen ermöglichen
Stuttgart/ Hamburg 18.05.2020 (HKU/NA). Allen Kindern soll nach Auffassung des Bundes der Freien Waldorfschulen (BdFWS) so bald wie möglich wieder ein regelmäßiger Zugang zu Kitas und Schulen ermöglicht werden. Die Waldorforganisation hat jetzt eine Stellungnahme als Hilfestellung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und Eltern zur Wiedereröffnung von Schulen und Kitas herausgegeben.
Die Stellungnahme wurde zusammen mit der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum, Dornach, erarbeitet. Sie soll dazu beitragen, die Herausforderungen der Corona-Virus-Krise „im Sinn einer gegenseitigen Stärkung und Wertschätzung“ zu meistern, betont der Vorstand des BdFWS in seiner Erklärung und weist auch auf die Chancen für Veränderungen hin, die die gegenwärtige Situation neben allen bedrohlichen Aspekten mit sich bringe.
„Der vornehmste Auftrag der Waldorfschulbewegung ist und bleibt es, den Schülern und Schülerinnen eine Umgebung zur Verfügung zu stellen, durch die sie ihre physisch-leiblichen Kräfte ebenso entwickeln können wie ihre geistig-seelischen“, erläutert das Mitglied des Bundesvorstands Henning Kullak-Ublick in einem Schreiben dazu an die Waldorfschulen.
Dazu gehöre auch „eine Urteilsdisziplin bei uns Erwachsenen, die über polarisierte Vereinfachungen hinausführt, statt sie weiter aufzuheizen“, mahnt der langjährige Waldorfklassenlehrer. „Wir brauchen einen offenen, auch kontroversen, Diskurs, aber keine Verschwörungsmythen – die bewirken das genaue Gegenteil.“ Deswegen habe der BdFWS in seiner Stellungnahme sachliche Gesichtspunkte in den Vordergrund gestellt.
Covid-19 habe innerhalb eines Vierteljahres das öffentliche Leben auf der ganzen Welt verändert, heißt es in der Einleitung der Stellungnahme, es betreffe das Bildungswesen, ein weitgehend stillstehendes Kulturleben, eine in Rezession gestürzte Wirtschaft sowie Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten, wie sie zuvor allenfalls in autoritären Staaten vorstellbar gewesen seien. Die öffentliche Debatte über das richtige Maß der Balance zwischen wirtschaftlichen Existenzfragen, Grundrechen und medizinisch notwendigen Maßnahmen nehme an Schärfe zu, konstatiert der BdFWS.
Die Erklärung liefert in ihrem medizinischen Teil Angaben zum Krankheitsbild von COVID-19 sowie Zahlen über den Krankheitsverlauf. Bei Kindern löse das SARS-CoV-2-Virus nach bisherigen Erkenntnissen nur in seltensten Fällen lebensbedrohliche Verläufe aus. Bei Erwachsenen sei die Disposition des Infizierten entscheidend dafür, ob es überhaupt zu Krankheitssymptomen komme oder ob eine schwere, sehr schwere oder tödlich verlaufende Erkrankung die Folge sei. Bei den schweren Verläufen der Erkrankung seien Atemwege und Blutgefäße gleichermaßen betroffen. Der Verlauf werde auch von innerer Anspannung, mangelndem Schlaf, Nikotingenuss und anderen Faktoren bestimmt, allem, „was das menschliche Immunsystem und die atmende Mitte schwächt“.
Die Stellungnahme des BdFWS stellt daher einen präventiven Blick in den Mittelpunkt. Sie empfiehlt einen „gesunden Tagesrhythmus und eine vollwertige Ernährung“. Das Vorbild des Erwachsenen sei von zentraler Bedeutung, die gegenwärtige Verlangsamung des Lebens könne auch eine Chance beinhalten, eine „wunderbare Gelegenheit, neue Wege zu entdecken“. Eine wesentliche seelische und immunologische Stärkung erfahre jeder Mensch z.B. durch die Aufnahme von Sonnenlicht und aktiver Bewegung. Die Sommermonate in den Schulen und Kitas sollten deswegen soweit möglich für den Aufenthalt und Unterricht im Freien genutzt werden. Aufenthalte im Freien seien medizinisch gesehen auch sicherer als in geschlossenen Räumen.
Die Stellungnahme bezieht auch mögliche Ängste unter den Lehrer:innen und Erzieher:innen hinsichtlich der Wiedereröffnung der Einrichtungen mit ein. „Es erscheint vernünftig, dass sich alle Pädagog:innen selbst so schützen, dass sie rechtliche Vorgaben einhalten und sich selbst sicher fühlen“, heißt es dazu. Bei deutlichen Risikokonstellationen sollte Rücksicht genommen werden. Es folgen verschiedene Empfehlungen zur Hygiene in den Einrichtungen sowie zur Intensivierung der Abstimmung mit den Eltern. Zur Überwindung der Krise sei entscheidend, dass Pädagog:innen und Eltern in „einem guten, möglichst offenen und angstfreien Dialog zusammenarbeiten“. Elternabende könnten auch als Videokonferenz stattfinden, darüber hinaus sei das individuelle Elterngespräch sehr wichtig.
Ein weiterer Abschnitt in der Stellungnahme widmet sich dem Verhältnis von Präsenzlernen und digitalem Unterricht, dem die Schulschließungen auch an den Waldorfschulen zu einem „unerwarteten Durchbruch“ verholfen haben. Hier weist der BdFWS auf die Grenzen des Online-Lernens hin, das zwar dem Austausch von Informationen diene, das wichtigste Element des Lernens, die Begegnung von Mensch zu Mensch, aber nicht ersetzen könne. Dazu enthält das Papier Anregungen, wie die Vereinseitigung durch das digitale Lernen zumindest teilweise ausglichen werden können z.B. durch Kontinuität oder durch spezielle Aufgabenstellungen. Nicht zuletzt empfiehlt der BdFWS den Kollegien der Waldorfschulen, regelmäßig Konferenzen auf allen Ebenen abzuhalten: „In Zeiten des ‚social distancing‘ wird das noch wichtiger, um den inneren Zusammenhalt sicherzustellen.“
Die vollständige Stellungnahme ist auf der Homepage des BdFWS veröffentlicht. Link: https://www.waldorfschule.de/service/corona-faq/
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